Dehospitalisiert
Heute ist der erste Tag seit Monaten, wo ich mal wieder darüber nachgedacht habe, mich selbst zu verletzen... Nicht so, dass ich es ernsthaft versucht hätte, aber zumindest habe ich darüber nachgedacht.
Anlass war Folgendes: Ich habe vor einigen Tagen wieder akute Schmerzen in beiden Brüsten bekommen. Diese Brustschmerzen hatte ich bereits vor einem Monat, bevor mir die Eierstocksyste entfernt wurde. Nach der OP sind sie verschwunden und plötzlich traten sie wieder auf, so schlimm, dass ich keinen Bügel-BH mehr anziehen kann. Zusammengenommen mit dem Fakt, dass mir vor 2 Tagen einen Tag lang ganz akut der linke Eierstock weh tat, der nicht operiert wurde (!) bekam ich es mit der Angst zu tun, dass dort irgendwas übersehen wurde oder sich nach der OP gebildet hat...
Meine Frauenärztin ist immer noch im Urlaub und ich dachte, es ist besser, in die Frauenklinik zu gehen, wo ich behandelt wurde, als zur Vertretungsärztin, die mich noch nie im Leben gesehen hat und null Informationen zu mir hat.
Als ich jedoch in der Frauenklinik ankam und meine Sorgen hervorbrachte, wurde ich von einem Arzt und einer Schwester 5 Minuten lang nieder gemacht, für wen ich mich halte, dort einfach aufzukreuzen, dass die Brüste mit dem Eierstock gar nichts zu tun haben und was ich denke, was sie denn da jetzt machen sollen. Sie schnauzten mich an, dass ich wenn dann nur mit Überweisungsschein kommen kann und dann auch nur zur Brustsprechstunde Dienstag und Freitag und ob ich das nicht weiß. Tatsächlich wusste ich nichts von alldem. Ich wusste auch nicht, dass man mich mit Schmerzen einfach so wieder auf die Straße setzen kann....Zumindest habe ich es mir in meinem Glauben an eine gerechte Welt einfach anders vorgestellt...
Auf dem Rückweg zum Auto war ich gebeutelt von Traurigkeit, Wut auf das Krankenhauspersonal, Wut auf mich selbst, auf meinen Körper, der mir im Moment nichts als Probleme bereitet...Damit verbunden dann auch die bereits erwähnten automatischen Gedanken an die Selbstverletzung. Vor allem aber war ich wie gelähmt von diesem Ohnmachtsgefühl, dass ich aus dem Krankenhaus geschickt werde, obwohl ich akute Schmerzen habe und nichts dagegen machen kann...
Im Auto brauchte ich 10 Minuten, bis ich allmählich mit Weinen aufhören und nach vorn sehen konnte. Ich rief die Vertretungsärztin an, wo man mir gleich zusicherte, dass ich nur vorbeikommen brauche und dort untersucht werde, dass das kein Problem sei. Also fuhr ich da hin und ließ mich von der älteren, aber recht netten Ärztin untersuchen. Diese nahm mir gleich einen Großteil meiner Angst, indem sie sagte, es kann an der hormonellen Neueinstellung meiner Eierstöcke liegen, es kann aber auch sein, dass tatsächlich etwas gewachsen ist ("Es gibt alles Mögliche auf dieser Welt...") und um das auszuschließen macht sie einen Ultraschall. Das klingt jetzt vielleicht nicht so positiv, aber immerhin verstand mich diese Frau, weil das genau das war, was ich auch dachte...
Der Befund war durchgehend positiv, meine Eierstöcke und die Gebärmutter sehen gut aus und haben sich von der OP gut erholt. Die Ärztin erklärte mir, dass die Brustschmerzen vor der OP davon kamen, dass die Zyste den Eierstock dazu brachte, viel zu viel Östrogen zu produzieren, was die Brüste wachsen und schmerzen lässt. (Aber Eierstöcke haben NICHTS mit den Bürüsten zu tun, klar, liebes Krankenhauspersonal!?) Die OP bewirkte, dass es zu einem schlagartigen Abfall des Östrogenspiegels kam, also Schmerzen weg und Brüste wieder normal groß. Das führte allerdings auch zu einer Alarmreaktion meines Körpers, der das Östrogen erstmal wieder hochregulierte, also kam es wieder zu Brustschmerzen. Sie meinte, in einem Monat hat sich das wieder eingependelt und dann werde ich nichts mehr merken. Nach meiner nächsten Periode soll ich einfach irgendwann mal bei meiner Frauenärztin vorbeischauen und sie nochmal draufschauen lassen, ob alles ok ist, aber es spricht nichts dafür, dass da irgendwas nicht stimmt.
Der Erleichterung, dass mit mir körperlich alles in Ordnung ist, folgte rasch die übermächtige Wut auf die dämlichen Arschgeigen im Krankenhaus, bei denen man am besten mit einem Schreiben ankommt, wo man sich ausdrücklich dafür entschuldigt, dass es sich leider nicht vermeiden ließ, dass sie wegen einem nun tatsächlich arbeiten müssen. Und ich kam einfach nicht über dieses Ohnmachtsgefühl hinweg, diese Hilflosigkeit. Es war zwischenzeitlich so schlimm, dass ich den schier übermächtigen Drang danach hatte, mich zu betrinken, um die Gefühle zu betäuben, was ich aber glücklicherweise nicht gemacht habe. Interessant ist, dass diese Hilflosigkeit bei mir sofort Selbsthass auszulösen scheint. Das wird das Thema der nächsten Therapiestunde.
Fazit der ersten Hälfte des Tages ist allerdings, dass ich nie, nie, nie wieder ein Krankenhaus betreten werde, es sei denn, ich liege halbtot irgendwo herum. Ernsthaft.