VI
"Geht es dir besser?"
- "Nein, aber dafür bin ich jetzt durchgefroren."
Ich komme ins Zimmer, furchtbar nach Rauch stinkend, genervt und verheult, werfe mich aufs Bett und nehme meinen Hefter. Ich sehe ihn nicht an.
Er rutscht zu mir herüber, nimmt mich unbequem in den Arm, sodass mein Hefter total zerknittert wird. Es scheint ihm nichts auszumachen und mein "Hmpf" wird geflissentlich ignoriert.Er drückt fester. Ich weiß nicht ganz, was ich machen soll, werde aber letztlich von seiner süßen Art überwältigt und lege meine Arme um ihn.
"Du wirst das schaffen." sagt er. "Du hast bisher alles geschafft, was du schaffen wolltest!" Da hat er Recht. Ich denke an die Programmieren-Klausur im Mathestudium. Wie ich als vollkommener Programmier-Neuling mit einer 3 durch diese Klausur kam, besser noch als viele meiner Kommilitonen, die seit Jahren Java und C und was-weiß-ich-nicht programmieren. Weil ich mich jeden verdammten Tag hingesetzt und FORTRAN95 programmiert habe. Weil ich mich verflucht nochmal dahinter geklemmt habe. Ich WOLLTE das schaffen. Und ich habe es geschafft.
Ich seufze. Er lässt mich los, nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich auf den Mund. Dann auf die Nase. Auf die Stirn. Von der Stirn aus küsst er mich immer weiter nach links, nach unten bis zu meiner Wange, wieder über die Nase bis zur anderen Wange. Er sieht mich an. Seine Hände sind immer noch an meinem Gesicht.
"Du bist gut." sagt er. Und ich kann nicht widersprechen. "Nur hör mit dem verdammten Gerauche auf, das ist echt widerwärtig."
- "Ich versuch's..."
"Gut. Und jetzt weitermachen." Er schiebt sich weg und ich sitze eine Weile verdutzt da und starre auf meinen Hefter. Dann starre ich ihn an, wie er betont uninteressiert an mir sein Buch wieder zur Hand nimmt und liest.
- "Ich versuch's..." wiederhole ich.
fjenlyn am 08. Februar 13
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V
Generalisierte lineare Modelle.
Junge, hab ich schonmal erwähnt, wie ich auf Männer stehe, die im mathematischen Bereich fähiger sind als ich selbst?
Und wie unglaublich süß er dabei ist, wenn er mir das erklärt. Wenn sein Blick intellektuell ziellos durch den Raum wandert und irgendwann wieder meinen Blick trifft...Und ich kann ihm gar nicht zuhören, weil ich so gänzlich von seiner Erscheinung eingenommen bin, muss irgendwann darüber grinsen und bringe ihn komplett aus dem Konzept.
♥
fjenlyn am 06. Februar 13
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IV
Seine Bitte, mich zeichnen zu dürfen, kam unerwartet. Ich wusste bisher gar nicht, dass er zeichnet, habe nie ein Bild von ihm gesehen. Ist jetzt auch nicht die typische Eigenschaft eines Informatikers, Frauen zu zeichnen. Und ich halte mich jetzt auch nicht gerade für die Schönheit, der die Männer auf der Straße hinterherlaufen, damit sie ein Foto machen können, geschweige denn eine Zeichnung. Überhaupt habe ich mich nur zweimal zeichnen lassen, das war einmal in Paris auf einer Klassenfahrt und einmal auf einem Weihnachtsmarkt, beides jeweils als Geschenk für meine Mutter.
Dementsprechend muss wohl mein Blick in der ersten Sekunde ausgesehen haben, nachdem er mich fragte.
"Was?"
"Ich möchte ein Portrait von dir zeichnen." sagte er mit einem Lächeln.
- "Machst du das öfter?"
"Nein, ich zeichne sonst eher Gebäude. Willst du mal sehen?"
Er rutscht zu mir herüber und hat irgendwo eine Mappe her, die er öffnet. Augenblicklich verschlägt es mir die Sprache. Das erste Bild ist ein Blick über unsere Stadt von einer erhöhten Position aus.
Eine feine Bleistiftzeichnung, jeder Strich auf seine Weise die pure Perfektion in sich. Atemberaubende Schattierungen, unglaubliche Details, fast wie eine schwarz-weiß-Fotografie.
"Ich wusste gar nicht, dass du so gut zeichnest...." beginne ich.
- "Hab's dir auch nie erzählt." sagt er grinsend.
Ich blättere weiter. Nach einigen Städtebildern sehe ich das Bild eines Bettlers an einer Einkaufspassage. Es gibt ja viele Menschen, die unglaublich gut Stillleben und Gebäude zeichnen können, aber keinen Menschen hinbekommen. Bei ihm ist das anders. Dieser Mann scheint fast aus dem Bild heraus zu kommen. Unglaublich.
Ich blättere weiter und sehe die anderen Bilder an. Über das eine oder andere unterhalten wir uns länger, manche werden einfach nur mit "Wow" kommentiert.
"Na gut, okay. Aber keine Karikatur!" sage ich schließlich grinsend und er setzt sich zufrieden mit einem Blatt und einem Bleistift bewaffnet an die Bettkante.
"Soll ich irgendwas Bestimmtes machen?" frage ich.
- "Du sollst das tun, was du eigentlich dein ganzes Leben lang tun solltest: Lächeln."
Dieser alte Poet. Ich grinse, schüttle innerlich amüsiert den Kopf und widme mich wieder meinem Buch.
"Aber so kann ich mich doch nicht auf mein Märchen konzentrieren..."
- "Dann erzähl mir, was du liest."
Ich hatte gerade das zweite mal Rapunzel angefangen und erzähle ihm die Geschichte. Zum Schluss gebe ich noch einige Interpretationsmöglichkeiten aus psychologischer Sicht an. Fasziniert blicke ich immer wieder zur Seite zu ihm, kaum glaubend, wie er es hinbekam, zu zeichnen, mir dabei aber zuzuhören und immer wieder auf mein Gesagtes eingehen zu können. Ironisch denke ich in mir: "Ich dachte immer, ihr Männer habt's nicht so mit Multitasking..."
Ich blicke auf seine feinen Hände mit dem Armband und muss für einen Moment an den Sex mit ihm denken. "Nach vorn schauen." unterbricht er meine Gedanken und ich drehe den Kopf grinsend wieder nach vorn.
Als er fertig ist, rutscht er zu mir herüber, setzt sich neben mich und hält das Bild vor uns.
"Oh mein Gott, das ist unglaublich...."sage ich nur und streiche sanft mit den Fingern am Rand entlang, mich nicht trauend, darüber zu fahren.
Ich lasse meinen Blick über die Gesichtszüge meines Portraits gleiten, vergleiche sie in Gedanken mit Fotos von mir. Ich blicke über die langen schwarzen Haare, die bis über die Schultern fallen, die astrein gerade Nase, die vollen Lippen und die ausladenden Wangen, die ich schon als Teenager viel zu dick fand.
Dies ist definitiv das beste Portrait von mir, das es gibt.
"Für dich" flüstert er und küsst meine Schulter. Ich habe das Bedürfnis, ihn festzuhalten und nie wieder loszulassen. Ich lege das Bild auf den Nachttisch und falle ihm mit einem langen Ausatmen um den Hals. "Du bist unglaublich." sage ich immer wieder.
"Einfach unglaublich."
fjenlyn am 06. Februar 13
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